Neulich wurde ich gefragt, was genau ich denn meine, wenn ich davon spreche, dass Lernen am besten funktioniert, wenn es "Entdeckungen" und "Erfahrungen" enthält. Da habe ich gedacht. das erkläre ich auch hier im Blog gerne nochmal genauer. Ich meine das nämlich so:
Um die Kinder in ihrem natürlichen Forscherdrang zu unterstützen, schaffe ich Unterrichtssituationen, in denen sie Entdeckungen machen, wo sie also selbst etwas heraus finden, das sie interessiert und mit dem sie experimentieren können.
Wie das im Klavierunterricht konkret aussieht, möchte ich heute an einem Beispiel beschreiben. Zusammen mit einer siebenjährigen Schülerin hatten wir uns die Frage gestellt: Wie klingt denn eigentlich Luft?
Das Klavier hat nicht nur Tasten...
Anna Katharina hat den großen Deckel des Klavier-Kastens aufgeklappt und steht auf dem Klavierhocker, um mit ihrer Hand von oben in den großen Kasten hinein langen zu können. Jetzt streicht sie mit ihren Fingerspitzen über die dicken Saiten des Klaviers, während ich unten das Pedal halte.
Es ist ein sehr ungewöhnlicher, metallisch-hauchender Klang, den wir nun hören. Wir probieren die tiefen Saiten aus, die hohen und auch die mittlere Lage. Wir sind fasziniert von dem, was wir hören. Manche Klänge sind wie "Filmmusik" und wir haben richtig Schauer, die uns über den Rücken laufen...
Doch wie waren wir hierher gekommen, so ungewöhnliche Klänge mit dem Klavier zu erzeugen? Eigentlich haben Anna und ich das gemeinsam heraus gefunden. Und das kam so:
Anna Katharina hatte in der Schule bereits „Wind“ und „Regen“ auf Trommeln gespielt. Der Klang, der entsteht, wenn man mit einer flachen Hand vorsichtig über das Trommelfell streicht, den zeigt sie mir zunächst auch auf den Trommeln, die in meinem Unterrichtsraum stehen. Dafür probieren wir verschiedene Trommeln aus und müssen ganz leise werden, um dieses "Flüstern" der Trommeln auch richtig hören zu können...
Von der eigenen Erfahrung - zur neuen Entdeckung
Anna hat mit den Erfahrungen, die sie aus dem Schulunterricht mitgebracht hat, einen roten Faden gefunden. Sie findet zwar, dass dieser ungewöhnliche Klang auf den Trommeln irgendwie spannend ist - aber wie "Luft" klingt das noch nicht richtig. Mal gucken, ob sie ihre Ideen nicht nur auf der Trommel, sondern auch auf dem Klavier umsetzen kann...
Naja, die Töne ganz normal auf dem Klavier anzuschlagen - das kann sich Anna Katharina nicht für den Klang von „Luft“ vorstellen. Also machen wir uns beide auf die Suche nach anderen Möglichkeiten, mit dem Klavier Töne zu erzeugen. Können wir mit dem Klavier auch "Hauchen" und "Flüstern", wie auf den Trommeln?
Ich halte das Pedal und Anna klopft an verschiedenen Stellen des Klavier-Kastens. Durch das Pedal hallen die Klopftöne nach... und als sie dabei den Kopf mal unten hat, sieht sie plötzlich den Schlitz im Klavier-Kasten und entdeckt die Saiten dahinter!
Also klappen wir den Kasten oben auf, damit wir an die Saiten richtig heran kommen. Mal schauen, was wir damit alles machen können... Wow, über die Saiten zu streichen und vorsichtig daran zu zupfen - das ist es! Zusammen mit dem Halleffekt des Pedals klingt das jetzt wirklich wie Luft! Was für neue Klang-Möglichkeiten wir dabei entdecken!
Uns fallen immer neue Kombinationen ein, um "Luft" zum Klingen zu bringen: laut und leise, ganz bewegt oder sehr still - und wer weiß: vielleicht entsteht demnächst mal ein ganzes Musikstück daraus...denn genau so arbeiten auch die "modernen" Komponisten: sie geben sich nicht mehr mit den normalen Klangmöglichkeiten der Instrumente zufrieden. Musikmachen wird damit zum Experiment - auch für die Profis...
Und jetzt du: was fällt dir heute ein, um dein Klavier mal ganz anders als sonst klingen zu lassen?
Magst du uns mit deinen Entdeckungen inspirieren? Dann schreib doch etwas im Kommentar - ich bin gespannt!