Das Problem beim Klavier üben ist doch oft folgendes: entweder ich übe gewissenhaft die schwierigen Stellen, versuche die Fehler abzustellen – dann wird das Üben oft langweilig, frustrierend oder verbissen. Oder: ich spiele das, was mir Spaß macht. Das sind dann oft die Sachen, die ich schon kann und die mich letztendlich nicht weiter bringen.
Wie kann ich also einen Weg finden, Spaß und Effektivität beim Üben miteinander zu verbinden?
Die innere Einstellung ist wichtig
Wichtig ist hierfür die Einstellung, die man zum Üben hat: ich muss merken, dass mir das Üben in dem Moment, wo ich übe, Freude macht und mich weiter bringt. Es muss sich „sinnvoll“ anfühlen. Ich muss „im Kontakt sein“ mit dem, was ich tue und wie ich es tue.
Dieses „im Kontakt sein“ können wir bei den Kindern beobachten: sie gehen in dem auf, womit sie sich beschäftigen, sie sind ganz und gar präsent, haben Spaß und gehen spielerisch mit den Dingen um. Das ist genau die innere Haltung, die wir brauchen, wenn wir freudvoll und erfolgreich Klavier üben wollen.
Um richtig Klavier zu üben müssen wir also eigentlich gar nichts Neues erlernen. Denn die spielerische Art, mit der Kinder lernen, ist in uns allen gespeichert. Was wir allerdings tun müssen, damit diese spielerische Haltung in uns lebendig bleibt, das ist, dass wir bestimmte Bedingungen schaffen müssen, unter denen das Klavier üben stattfinden kann. Das ist dann so wie wenn wir als Kinder auf einen tollen Abenteuerspielplatz gekommen sind: alles lädt uns einfach dazu ein zu spielen, auszuprobieren, ganz und gar einzutauchen. Alle Geräte stehen bereit, alles wartet auf uns – und wir können uns voll und ganz auf das Abenteuer einlassen.
Vier Bedingungen für erfolgreiches Üben
Beim Klavier üben sind es mehr die „inneren“ Bedingungen, die wir schaffen können, um wirklich in Kontakt zu kommen mit dem Musik machen.
Ich will hier mal vier wichtige Bedingungen heraus greifen.
- Ohne Druck üben. Sich nicht überfordern.
Ich muss beim Üben spüren können, dass ich etwas erreiche. Dafür ist es wichtig, dass meine Ziele nicht zu hoch stecke, sondern auch die kleinen Schritte wertschätze, die dann irgendwann zum größeren Ziel führen. Oft ist es allerdings so, dass wir sehr kritisch mit uns sind und das Üben deshalb gar nicht als erfolgreich erleben können. Wir sehen nur all das, was wir noch nicht geschafft haben. An dem Punkt können wir dann unseren Blickwinkel einfach auf das richten, was schon gut geht.
- Sich Zeit nehmen. Sich nicht ablenken lassen.
Dabei gibt es einerseits die äußeren Ablenkungen wie Termine, die gleich wieder anstehen oder Telefongeklingel, das mich dazu bringt, mein Üben zu unterbrechen.
Da sind aber vor allem auch die inneren Ablenkungen: Gedanken daran, was noch alles erledigt werden muss, Dinge, die wir als wichtiger erachten als das Üben usw. All das schwächt unsere Konzentration. Deshalb: Sich innerlich Raum schaffen. Sich klar machen, warum man üben will. Dass es wichtig ist, sich jetzt dafür Zeit zu nehmen.
- Spielerisch üben. Nicht zu streng mit sich sein.
Die Dinge nicht zu ernst nehmen. Die Welt geht nicht unter, wenn ich nächste Woche die Fingerübung noch nicht fehlerfrei kann. Lieber spielerisch üben: auch mal laut spielen, wo eigentlich leise gespielt werden soll, auch mal nur fünf Minuten „richtig“ üben und sich dann erlauben, das Lieblingsstück einfach nochmal durchzunudeln. Dann macht das Üben der schwierigen Stellen auch wieder mehr Spaß.
- Bewusst üben.
Es bringt nichts, wenn wir wie automatisch eine Übung runterleiern und hoffen, dass es besser wird nur weil wir sie zehn oder zwanzig mal gespielt haben. Wichtig ist es, dass wir uns überlegen, wo genau die Herausforderungen sitzen. Ist es der schwierige Fingersatz, über den ich immer wieder stolpere? Dann kann ich genau überlegen, welchen einzelnen Faktoren wichtig sind, um den Fingersatz richtig umzusetzen. Und diese einzelnen Faktoren dann langsam und bewusst durchzugehen, sie sich klar zu machen. DAS speichert das Gehirn gerne ab und ruft es dann auch im nächsten Stück wieder ab!
Es gibt nichts Unbefriedigenderes, als wenn ich so übe, dass der Spaß erst dann herein kommen darf, wenn ich das Stück irgendwann mal fehlerfrei spielen kann. Dann wird Üben langweilig und etwas, zu dem ich mich immer weniger motivieren kann. Üben muss JETZT Spaß machen, muss JETZT erfolgreich sein und Sinn machen. Dann setze ich mich morgen auch gerne wieder ans Klavier.