Klavier lernen geht leicht. Stimmt das?

Ich kenne keinen Menschen, der jemals zu mir gesagt hätte: „Musik? Finde ich einfach nur doof. Will ich nichts mit zu tun haben.“

 

Statt dessen strahlen meistens die Augen meines Gesprächspartners, wenn ich erzähle, dass ich Musikerin bin, und ich höre Kommentare wie: „Oh, das ist ja schön!“ oder „Das hört sich ja traumhaft an, dass man seine Leidenschaft zum Beruf machen kann.“

 

Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass viele Menschen spüren, dass die Musik ihnen viel zu geben hat, egal ob sie sie aktiv ausüben, ein Instrument lernen, im Chor singen, oder einfach gerne schöne Musik hören.

 

Doch kann ich auch ein vielseitiges Instrument wie das Klavier erlernen, ohne dass nach dem ersten Enthusiasmus und der Freude der „Ernst“ und die „Schwierigkeiten“ des Alltags sich auf den Lernprozess übertragen und das Üben schwer und ermüdend wird?

 

Der Blickwinkel entscheidet

Wenn wir beobachten, wie ein kleines Kind anfängt zu krabbeln, immer öfter beginnt aufzustehen, dabei ab und zu hin fällt und schließlich laufen kann, dann können wir das auf zwei verschiedene Arten betrachten. Wir können entweder uns darauf konzentrieren, das scheinbare Scheitern zu sehen. Die vielen hundert Male im Auge zu haben, die das Kind hinfällt. Es nicht „schafft“.

Oder wir können den größeren Blickwinkel wählen und den Lernprozess als etwas Dazugehöriges sehen, weil wir WISSEN, dass das Kind am Ende laufen kann. Dann können wir den einzelnen Lernschritten vertrauen.

 

Geht Laufenlernen denn nun schwer oder leicht? Welche Betrachtungsweise ist die richtige?

Alte Überzeugungen überprüfen

Wir sind oftmals einfach darauf trainiert, uns auf die Schwierigkeiten zu konzentrieren. Das zu sehen, was nicht klappt, was scheinbar schwierig ist. Und je mehr wir darauf schauen, desto schwieriger wird es! Einfach weil wir glauben, dass es dazu gehört und dass es so sein muss. Darum ist das Lernen, das den Kindern in der Schule vermittelt wird, häufig auch so zäh: die Lehrer, die Kultusminister und auch wir Erwachsenen generell glauben einfach, dass Lernen schwierig sein muss, weil wir es selbst so erfahren haben. Doch ich halte das für einen großen Irrtum.

 

Wenn wir als Menschen fähig dazu sind, innerhalb eines Jahres (in etwa) von der Geburt an aufzustehen und laufen zu können, ohne dass uns jemand erklären müsste, wie es geht, dann sind wir auch zu ganz anderen Dingen fähig, erst recht zum Klavier spielen lernen...

 

Das Geheimnis liegt darin, dem Lernprozess zu vertrauen. Nicht auf das „Hinfallen“ zu schauen und zu sagen: „Oh wie schwer geht das doch.“, sondern das Größere Ganze im Blick zu behalten und zu sagen: „Ich vertraue darauf, dass das ganz leicht und natürlich funktioniert.“ Dann muss ich als Lehrerin auch gar nicht irgendwo „eingreifen“. Statt dessen kann ich unterstützen, Hilfestellung leisten. Und mich am Lernprozess erfreuen.

 

Dann sind und bleiben Freude, Motivation und Entwicklung unsere „Lernpartner“, nicht die Schwere, nicht das Zähnezusammenbeißen und auch nicht der Gedanke daran, dass man Klavier erst nach vielen vielen Jahren „richtig“ spielen kann.

 

Wir können uns jederzeit für den leichten, für den schönen und für den effektiven Blickwinkel entscheiden.

 

In jedem Moment.

 

Jetzt.