Heute möchte ich euch ein Heft vorstellen, das sich sehr gut als Vorlage oder Ideengeber für die Improvisation eignet: „Impulsives Klavierspiel“ von Herbert Wiedemann (Bosse Verlag BE 490).
Das Heft hat mir schon oft als Vorlage zu Improvisationen gedient, für meine eigenen ebenso wie für die meiner Schüler. Die Übungen sind meiner Meinung nach nicht für ganz „blutige“ Anfänger geeignet (bis vielleicht auf die allerersten Beispiele), man sollte schon 3-4 Jahre Klaviererfahrung haben. Aber dann bietet „Impulsives Klavierspiel“ einen vielseitigen Schatz an Anregungen.
Ich greife hier mal ein paar der Anregungen auf, um sie euch schmackhaft zu machen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Spiel mit schwarzen Tasten
Los geht es mit dem Spiel auf schwarzen Tasten, wo man ja eh nicht viel falsch machen kann, weil sie eigentlich immer gut zusammen klingen. Die Idee, einfach spontan mehrere schwarze Tasten anzuschlagen und in sie hinein zu horchen, finde ich sehr schön: man schlägt zufällig ausgewählte schwarze Tasten auf einmal an und nimmt den Zusammenklang ganz bewusst wahr, lässt den Klang einen Moment stehen - und geht dann zum nächsten.
Das habe ich bei meinen Schülern z.B. damit kombiniert, dass sie die Tonlängen variieren können oder mit den Lautstärken experimentieren. Dadurch entsteht schon ein kleines "Stück" und man beginnt ganz automatisch, sich zu fragen, wie ein Musikstück "spannend" wird - nämlich indem es Entwicklungen und Kontraste gibt. Das gilt hier wie für jedes andere Stück auch und ist eine wichtige Erfahrung, die man dann auch bei Mozert oder Beethoven anwenden kann.
Improvisieren nach den Kirchentonarten (auch "Modi" genannt)
Die sog. Kirchentonarten heißen so, weil sie in Kirchenliedern auftreten. Aber nicht nur dort: der Jazz hat sie wieder entdeckt und ihnen neues Leben eingehaucht. Und so können die Improvisationen mit den Modi in ganz verschiedene stilistische Richtungen gehen. Dabei ist es ganz einfach, mit ihnen zu spielen: von jedem „weißen“ Ton auf der Tastatur lässt man eine Tonleiter beginnen – von c bis c kennen wir ja, das ist C-Dur. Aber von d bis d – das klingt schon anders (und heisst „dorisch“). Von e bis e hat gleich vom ersten zum zweiten Ton hin e-f diesen interessanten Halbtonschritt...
Wenn man nicht immer alles in Dur und Moll spielt, ist man viel freier beim Improvisieren, weil man nicht immer die ganzen Vorbilder im Kopf hat („es müsste doch klingen wie....“).
Bartok 2.0
Gut gefallen haben mir auch die Improvisations-Vorschläge, die auf komponierten Stücken basieren. Man nimmt sich also eine fertige Komposition und bastelt daraus etwas Neues. Für meine Schüler ist es viel interessanter, die Struktur einer Komposition zu erforschen, indem sie selbst ein ähnliches Stück bauen, anstatt dass man das Stück nur theoretisch „durchkaut“.
Besonders gerne nutzen wir Stücke von Bela Bartok als Vorlage; seine Kompositionsweise ist oftmals ebenso einfach wie genial. Die Kinder merken: Komponieren ist keine Zauberei, eigentlich können sie das auch!
Was nicht passt...
Alles in allem ein sehr lohnenswertes Heft. Hier wie sonst überall im Umgang mit Vorlagen gilt natürlich auch: was nicht passt, wird passend gemacht! Gerade wenn irgendetwas beim Improvisieren nicht so klappt wie erhofft, ist es spannend zu gucken: was können wir verändern/erleichtern, damit es gelingt? Oftmals ergeben sich daraus ganz neue Möglichkeiten, die ich dann mit dem nächsten Schüler auch gleich ausprobiere. So bleibt das Lernmatrial stets frisch und schmeckt auch nach einigen Malen noch nicht wie ein ausgekautes Kaugummi ;-)))
Also: viel Spaß beim Ausprobieren! Ach ja, hat noch jemand eine schöne Impro-Idee? Und möchte sie mit uns teilen? Dann schreibe doch einen Kommentar...