Es gibt Instrumente, bei denen es selbstverständlich ist, dass beim Erlernen desselben dem Atem viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das ist natürlich bei allen Blasinstrumenten so und auch bei der Stimme. Ohne einen kontrollierten Atem ist aus manchen Instrumenten sogar gar keinen Ton heraus zu holen.
Beim Klavier ist das anders: man drückt eine Taste herunter und schon erklingt ein Ton – wozu kann der Atem also für´s Klavierspielen wichtig sein?
Einen ersten Hinweis gibt uns folgendes Experiment: Wenn man ein Stück spielt, kann man zur gleichen Zeit einmal beobachten, wie man dabei atmet. Besonders an den schwierigen Stellen bemerken dann viele, dass der Atem ganz flach wird oder man komplett mit dem Atmen aufhört.
Doch warum ist das so? Warum stoppt der Atem beim Spielen und inwiefern kann ein fließender Atem uns helfen, effektiver zu üben?
Atemfluss und Spielfluss sind miteinander verbunden
Ohne unseren Atem könnten wir nicht leben. Daher ist es normalerweise ja so, dass unser Atem einfach geschieht – egal ob wir an ihn denken oder nicht.
Wenn wir den Atem anhalten, z.B. weil wir uns an einer schwierigen Stelle besonders konzentrieren, dann „machen“ wir das ja mithilfe bestimmter Muskeln in unserem Körper, die den natürlichen Atemfluss unterbrechen.
Dadurch halten wir jedoch nicht nur unseren Atem an: die Muskeln, die den Atemfluss blockieren, sorgen dafür, dass auch unser Bewegungsfluss auf den Tasten unterbrochen wird.
Das hängt damit zusammen, dass die Muskeln, die mit dem Zwerchfell (unserem Atemmuskel) verbunden sind, mit vielen Teilen unseres Bewegungssystems verknüpft sind, z.B. mit unserer Wirbelsäule. Wenn die Wirbelsäule festgehalten wird, wirkt sich das wiederum auf unsere Schultern aus, die ebenfalls für einen kurzen Moment angehalten werden. Und von den Schultern geht es dann direkt in die Arme, Hände und letztlich Finger. Damit sind kleine Unsicherheiten und „Stolperer“ in den Fingern fast schon vorprogrammiert.
Man kann das einmal für sich selbst erfahrbar machen, indem man beim Spielen willentlich den Atem anhält. Wie fühlt sich das an? Wie wirkt sich das aus?
Der Bewusste Atem ermöglicht ein sicheres, fließendes Spiel
Wir können den Atem aber auch ganz bewusst dafür nutzen, mehr im Fluss der Bewegung zu bleiben. Das hilft uns sogar, die schwierigeren Stellen leichter gelingen zu lassen.
Wenn wir lernen, den Atem fließen zu lassen, dann baut sich mit der Zeit eine viel größere Spielsicherheit auf.
Denn unser Gehirn merkt sich nicht nur die Noten, die wir einüben, sondern auch das ganze Drumherum. An der schwierigen Stelle heisst das Kommando vom Gehirn dann oftmals: „Achtung! Jetzt alle Muskeln festhalten!“ Und dann braucht man manchmal viel mehr Übezeit als eigentlich nötig wäre, einfach, weil man nicht „weiß“, dass dieses Kommando im Gehirn gespeichert ist und durch den bewussten Atem auch wieder „ausgeschaltet“ werden kann.
Indem wir es also trainieren, den Atem ins Fließen zu bringen, lernen wir, die Muskeln nicht mehr unnötig im Körper zusammen zu ziehen. Die Muskulatur bleibt damit flexibel und kann sich auf alle Eventualitäten einstellen und schnell reagieren. Dann ist auch ein schneller Sprung aus der hohen in die tiefe Lage kein Problem mehr oder der plötzliche Lautstärkenwechsel.
Welche Erfahrungen machst du, wenn du beim Klavierspielen auf deinen Atem achtest? Vielleicht magst du deine Beobachtungen hier im Kommentar mitteilen. Vielleicht hast du auch eine Frage dazu und ich kann dir weiterhelfen?